Die Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Anrath
(Eberhard Bons - 100 Jahre Pfarrkirche St. Johannes Anrath 1898 - 1998)
1. Geschichtliches
Anrath entstand im 9. Jh. innerhalb der letzten fränkischen
Rodungsmaßnahme (= Anrode, Anraide, Anrad, Anrath) abseits
der großen Straßen am Rand der Kempen-Aldekerker
Lehmplatte zur Niersniederung hin um einen Herrenhof der
Kölner Erzbischöfe, der inmitten der Kempener
Bauernschaft (Honschaft, Hundertschaft) Kleinkempen lag. Kleinkempen
erstreckte sich zwischen den gleichfalls Kölner
Ämtern Oedt und Linn und endete, immer schmäler
werdend, südöstlich in einer langen Spitze im
Schiefbahner Unterbruch kurz vor Kaarst. Diese räumliche Enge
hat die Entwicklung Anraths bis in dieses Jahrhundert nachteilig
beeinflusst.
Eine erste, dem Herrenhof zugehörige Kirche ist nicht
nachgewiesen, kann aber schon für das 9. Jh.
angenoprojektemmen werden. Die Gemeinde wuchs trotz der
ungünstigen Ausgangslage rasch, so dass mit den an den
Kölner Erzbischof zu entrichtenden Abgaben dieser die
Ausstattung der Kölner Gereonskirche verbessern konnte.
Um das Jahr 1010 wurde die Anrather Kirche durch Erzbischof Heribert,
der später heiliggesprochen wurde, von der Kempener
Mutterpfarre St. Peter abgetrennt und selbständig. 1019 wurde
die Pfarre Anrath durch den gleichen Erzbischof in die von ihm und
Kaiser Otto III. 1002/1003 gegründete Benediktinerabtei
Christus Salvator und Maria Genetrix in Deutz inkorporiert. Die enge
Verbindung zwischen Anrath und der Abtei Deutz blieb bis zur
Säkularisation 1803 bestehen.
Eine zweite Kirche im Stil der Kölner romanischen Landkirchen
wurde im 12. Jahrhundert errichtet. In der Gotik wurde im 14. Jh.
zunächst das südliche Seitenschiff mit dem
charakteristischen Dachreiter erneuert und Anfang des 16. Jahrhunderts
die älteren Teile ebenfalls im gotischen Stil
verändert. Im 19. Jh. genügte diese Kirche mit dem
erhalten gebliebenen romanischen Turm dem Zuwachs der
Bevölkerung nicht mehr. Sie wurde, nachdem der Kirchenneubau
beschlossen worden war, in den Monaten Januar und Februar 1897
abgebrochen und das Inventar entfernt, soweit es nicht für den
in gotischen Formen zu errichtenden Nachfolgebau als passend erschien.
Ein kleiner Teil der Einrichtung konnte vom kunstsinnigen
„Malbauern“ Grefertz vor der Vernichtung bewahrt
werden.
2. Die Kirche
Der Neubau der jetzigen Kirche wurde in der auch für heutige
Verhältnisse kurzen Zeit von eineinhalb Jahren verwirklicht.
Entwurf, Bauleitung und Bauaufsicht waren dem Düsseldorfer
Architekten Prof. Josef Kleesattel übertragen worden, der im
Anrather Umfeld schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
eine Reihe von Kirchen errichtet hatte und auf diesem Gebiet als
erfahren galt.
In seinen Formen griff Kleesattel auf die gotische Baukunst des
Mittelalters zurück, die mit der Wiederaufnahme der
Bauarbeiten zur Vollendung des Kölner Domes besonders im
Rheinland in Mode gekommen war. Diese, später Neugotik
genannt, geriet um die Zeit des Ersten Weltkrieges in Verruf; heute,
nachdem im Zweiten Weltkrieg viele neugotische Kirchen
zerstört oder entstellend wiederaufgebaut wurden, wird diesem
Baustil durchaus eine Eigenständigkeit zuerkannt.
Unsere am 30. Oktober 1898 geweihte Kirche ist eine dreischiffige
neugotische Backsteinhalle in sechs Jochen, Chorjoch und
fünfseitigem Schluss im Hauptchor. Der vierseitige,
schräggestellte Schluss der Seitenschiffe (4/8 - Chor) mit je
eigenem Pyramidendach. Vorspringendes Querschiff, zweischiffig, nur an
der Nordseite ausgeführt, gerader Abschluss. Im Winkel
zwischen Querschiff und Nordchor die dreiseitig schließende
Johanneskapelle. Kreuzwegkapelle (ehemals Taufkapelle) an der
Nordwestecke mit 5/8 - Chor. Die Joche der Seitenschiffe haben je ein
eigenes Querwalmdach. Der fünfgeschossige, zur Hälfte
eingezogene Turm endet im Glockengeschoss in spitzen Giebeln,
darüber reich gegliederte Galerie und achtseitiger spitzer
Helm. In den Winkeln zwischen Turm und westlichen Seitenschiffenden
dreigeschossige Treppentürmchen, sechseckig, teilweise in Turm
und Kirche eingebaut, mit Pyramidendächern. Über der
Vierung sechseckiger modernisierter Dachreiter; Sakristeianbau an der
Südostecke. Vier Portale mit Wimpergen und grotesken Figuren,
an der Südseite einfaches Portal. Über dem
Hauptportal Radfenster in Rosenform, bei den übrigen Fenstern
reiches Maßwerk. Außenwände durch flache
Strebepfeiler gegliedert.
Innen tragen hohe Bündelpfeiler das spitzbogige
Kreuzrippengewölbe. In zwei Wandpfeilern der Nord- und
Südseite je zwei achteckige Säulchen der
Vorgängerkirche aus Drachenfels-Quarzit eingefügt. Im
Westen polygonal vorspringende, ehemalige Orgelbühne mit
Maßwerk und Engelskulpturen. Die Glasmalereien der Fenster im
wesentlichen aus der Erbauungszeit der Kirche, vier Seitenschifffenster
enthalten innerhalb der alten Teppichmuster je eine figürliche
Darstellung (Entwurf: Wilhelm Teuwen, Anrath). Sieben Fenster der
Seitenschiffe nach Kriegszerstörung erneuert (Entwurf: Plum,
Mainz).
Nach hundert Jahren ist die Kirche weitgehend im Urzustand erhalten.
Natürlicher Verschleiß, Beseitigung der
Kriegsschäden, veränderter Zeitgeschmack und die
Umsetzung der Richtlinien in der Liturgiereform nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil haben jedoch teilweise in die Bausubstanz
eingegriffen. Bei der folgenden, sich auf die wichtigsten
Veränderungen beschränkenden Darstellung bleiben der
Ersatz von verbrauchtem Material in gleicher Form außer
Erwähnung:
In den Jahren 1916 bis 1935 mussten sukzessiv sämtliche 20
Fialen des Kirchturms und das Giebelkreuz auf dem Querschiff entfernt
werden, weil das Material zu weich war und die Armierung nicht
ausreichte. Ersatz wurde nicht geschaffen.
Postkarte ca. 1938
Literatur:
Archiv der Katholischen Kirchengemeinde St. Johannes Willich-Anrath.
F. Bock, Der Neubau der Pfarrkirche St. Johann Bapt. zu Anrath, Krefeld
1899.
Handbuch des Bistums Aachen, 3. Ausg., Aachen 1994
G. Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, Kempen 1959.
M. Seidler, Der Schatz von St. Heribert in Köln-Deutz,
Rheinische Kunststätten 423, Köln 1988.
Hier geht es zu einer Dokumentation
der Fenster in St. Johannes der Forschungsstelle Glasmalerei des 20.
Jh. e.V.
Die Missionskapelle in Vennheide
„Rette Deine Seele. Gebaut zur Ehre des Missionskreuz 18 JHS
69". So lautet die Inschrift des Grundsteins der Kapelle in Vennheide.
Diese Kapelle wurde im Jahr 1869 anlässlich einer Volksmission
von den Katholiken der Honschaften Vennheide, Clörath,
Hagwinkel, Giesgesheide und Bökel anstelle eines kurz zuvor
aufgestellten Missionskreuzes mit Spendenunterstützung in
Eigenleistung errichtet.
War sie zunächst fensterlos, wurden im Jahr 1937 vier
Rundbogenfenster gebrochen (im Außenmauerwerk ist dies heute
noch deutlich sichtbar), von denen die beiden östlichen mit
Buntglasfenstern des Anrather Künstlers Wilhelm Teuwen
ausgeschmückt wurden. Die spätbarocke
Eingangstür stammt wahrscheinlich aus der alten Neersener,
Teile der Ausstattung aus der alten Anrather Kirche.
Der Dachstuhl und die Eindeckung wurden 1984 erneuert. Im Innern wurde
eine Holzdecke eingezogen. 1995 folgte die Verglasung der beiden
westlichen Fenster sowie des Türoberlichtes durch den
Teuwen-Schüler Hubert Schaffmeister. Während des
Zweiten Weltkrieges war die Kapelle Zentrum eines eigenen
Seelsorgebezirkes. Dadurch erhielt der zuständige Kaplan
Leonhard Meurer (Kaplan in Anrath 1941 - 1946) den Titel
„Rektor“, der ihn vor dem Einziehen zur Wehrmacht
schützte.
Auch heute noch bildet die Kapelle für die Honschaften einen
wichtigen Mittelpunkt im religiösen Leben. Ihre Erhaltung und
Pflege ist Ziel der umliegenden Bevölkerung und des
Kirchbauvereins St. Johannes Anrath e.V.
Im Jahre 2009 erfolgte eine umfassende Sanierung der Kapelle. Neben der
denkmalschutzgerechten Aufarbeitung des Eingangsportals wurde auch die
Bleiabdeckung des Giebels erneuert sowie die Fassade zur Viersener Str.
gereinigt und neu verfugt.
Hier geht es zu einer Dokumentation
der Fenster in der Kapelle Vennheide der Forschungsstelle Glasmalerei
des 20. Jh. e.V.